Erste Hilfe beim Pferd: So handelst du richtig, wenn sich dein Pferd verletzt hat!

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Zuletzt aktualisiert am: 29.11.22

Für jeden Pferdebesitzer ist es ein Albtraum: Du holst gut gelaunt und voller Vorfreude dein Pferd von der Weide, merkst aber schon von weitem, dass etwas nicht stimmt. Dein Pferd will sich nicht wirklich führen lassen, es lahmt und auf einmal entdeckst du an einem der Hinterbeine eine tiefe, blutende Wunde – Oh je, dein Pferd hat sich beim Toben auf der Koppel verletzt!

Um Schlimmeres zu vermeiden, ist nun schnelles Handeln von dir verlangt und dir schießen einige Fragen durch den Kopf: Soll ich die Wunde nun selbst reinigen und desinfizieren oder soll ich besser auf meinen Tierarzt warten? Wie gehe ich jetzt richtig vor, damit es meinem Pferd bald wieder besser geht und es nicht unnötig unter Schmerzen leiden muss oder sich die Verletzung gar verschlimmert?

Damit du weißt, wie du in solchen Fällen richtig reagierst, verrate ich dir in diesem Beitrag, was genau zu tun ist, wenn sich dein Pferd verletzt hat. Dazu habe ich mich mit Tierärztin Tina Wassing unterhalten, die dir die besten Tipps zur ersten Hilfe beim Pferd gibt und erklärt, wie du Verletzungen richtig versorgst und welche Fehler du bei der Behandlung unbedingt vermeiden solltest.

Erste Hilfe beim Pferd

So handelst du richtig, wenn sich dein Pferd verletzt hat!

Gedeckte Verletzungen vs. offene Verletzungen

Wie auch beim Menschen, wird bei Pferden zwischen zwei Arten von Verletzungen unterscheiden: gedeckte bzw. stumpfe Verletzungen und offene Verletzungen. Gedeckte Verletzungen sind solche, bei denen die Haut nicht verletzt wurde, der Körper deines Pferdes dafür aber im Inneren beschädigt wurde. Dies können zum Beispiel Hämatome – auch als Blutergüsse bekannt – sein, die oftmals durch Trittverletzungen zustande kommen. Allerdings besteht hier gerade im Gliedmaßenbereich die Gefahr, dass die Knochen oder Gelenke deines Pferdes verletzt wurden, ohne dass du es wirklich sehen kannst.

Bei offenen Verletzungen ist die Haut deines Pferdes verletzt und hier ist dann auch von einer Wunde die Rede. Da sich diese ebenso wie beim Menschen infizieren können, musst du Wunden bei deinem Pferd stets richtig versorgen. Wenn du dies nicht tust, kann es schnell zu Entzündungen kommen. Gerade bei kleineren Verletzungen, die gerne unentdeckt bleiben, bilden sich hier nicht selten Phlegmone, die unter Reitern mehr bekannt sind als sogenannte Einschüsse. Phlegmone entstehen durch das Eindringen von Bakterien in die Haut, die sich ausbreiten und zu einer großflächigen Entzündung des Unterhautgewebes und des Bindegewebes sowie der Lymphgefäße führen. Häufig sind hier die Beine deines Pferdes betroffen: Während am ersten Tag noch alles in Ordnung war, ist das eine Bein deines Pferdes am nächsten auf einmal dick angeschwollen und heiß – eine schwere Entzündung liegt vor.

Wann du unbedingt den Tierarzt rufen solltest!

Es gibt Verletzungen, die du ohne Probleme selbst versorgen kannst. Dazu gehören kleinere Schnittwunden, die kaum bluten, nicht tief in die Haut deines Pferdes gehen und kleiner als 2cm breit bzw. lang sind. Sollte die Wunde hingegen sehr groß und tief sein, dein Pferd stark bluten und Schmerzen zeigen, solltest du sofort deinen Tierarzt einschalten – erst recht, wenn sich die Wunde nahe eines Gelenks befindet!

Laut Tina „sollte der Tierarzt sofort kommen (und auch gesagt bekommen, dass es ernst ist), wenn:
– dein Pferd nicht oder kaum noch auftreten kann
– die Wunde stark blutet
– die Verletzung extrem schnell anschwillt (Blutung im Gewebe)
– dein Pferd starke Schmerzen hat
– dein Pferd anfängt zu schwitzen, schneller zu atmen, zu schwanken oder zu zittern (Anzeichen eines Schocks)
– es tiefe Wunden sind, bei denen viele Strukturen (Haut, Muskeln, Sehnen, Knochen) verletzt sind“

Erste Hilfe beim Pferd Schritt für Schritt

So behandelst du dein Pferd selbst und reagierst im Notfall richtig

Egal, was ist: Ruhe bewahren!

Egal, welche Verletzung sich dein Pferd zugezogen hast, als erstes gilt: Ruhe bewahren! Denn wenn du selbst panisch wirst, sorgst du bei deinem Pferd nur für Stress und das kann die Situation mitunter verschlimmern. Deshalb ist es wichtig, dass du einen kühlen Kopf behältst – nur so schaffst du es auch, im Ernstfall die richtigen Entscheidungen zu treffen und schnell zu handeln. Denn, wie es Tina so schön sagt: „Panik ist nie gut und hilft auch keinem weiter.“

Prellungen und Hämatome

Hat dein Pferd eine starke Prellung erlitten, solltest du diese zunächst unter laufendem kalten Wasser kühlen. Dies solltest du aber maximal 15 Minuten lang machen.

„Danach verringern heparinhaltige Gels*, Tonerdepasten* oder Traumeel Gel das weitere Anschwellen des verletzten Gebietes.“, erklärt Tina. Achte allerdings darauf, dass diese Salben und Gels nicht in Kontakt mit Wunden kommen, da das zu Entzündungen führen kann.

Kleinere Wunden

Wenn sich dein Pferd hingegen eine offene Verletzung zugezogen hat, musst du die Wunde zunächst vorsichtig reinigen. Nutze hierfür sauberes Wasser. Noch besser ist es, wenn die Wunde „mit steriler, isotonischer Kochsalzlösung* gesäubert wird“, empfiehlt Tina. Außerdem gibt Tina folgenden, wichtigen Hinweis: „Eine Desinfektion darf nur erfolgen, wenn sicher ist, dass kein chirurgischer Wundverschluss erforderlich ist. Ob ein Verband angelegt werden muss, ist von der verletzten Region und dem Ausmaß abhängig. Fell kann entfernt werden, eine weitere Verunreinigung der Wunde sollte allerdings vermieden werden.“

Klaffende Wunden

Sollte dein Pferd eine klaffende Wunde haben, die chirurgisch behandelt, sprich genäht werden muss, ist es also wichtig, dass du zwar den groben Dreck entfernst, die Wunde allerdings auf keinen Fall desinfizierst. Nutze in dieser Situation also kein desinfizierendes Wundspray, wie zum Beispiel Blauspray. Reinige die Wunde stattdessen so gut es geht und decke diese anschließend mit einem Wundpflaster ab.

Stark blutende Wunden

Im Notfall musst du schnell handeln und kannst nicht warten, bis dein Tierarzt endlich am Stall angekommen ist, um dein Pferd zu behandeln. Gerade wenn dein Pferd eine sehr stark blutende Wunde hat, solltest du einen Druckverband anlegen. Den Druckverband bekommst du gut mit sterilen Wundauflagen*, Haftbandagen* und Panzertape* hin. Dieser stoppt den starken Blutverlust vorerst. Sollte dein Tierarzt zu lange brauchen und sich kein Ersatz-Tierarzt in der Nähe befinden, ist es am besten, wenn du dein Pferd vorsichtig verlädst und mit ihm in die nächste Klink fährst – denn jetzt ist keine Zeit zu verlieren!

Als Tierärztin hat Tina Wassing zudem noch folgenden Tipp: „Die meisten Verletzungen sind zwar ärgerlich, aber nicht lebensbedrohlich, brauchen aber trotzdem einen Tierarzt. Gut strukturierte Schilderungen der Verletzung oder Fotos helfen bei der Einschätzung, wie schnell man als Tierarzt vor Ort sein muss.“

So desinfizierst du eine Wunde bei deinem Pferd richtig

Sollte sich dein Pferd eine kleinere Wunde zugezogen haben, kannst – und solltest – du diese nach der Reinigung desinfizieren. Hier stehen dir verschiedene Wund-Desinfektionslösungen und Präparate wie zum Beispiel Ocenisept* zur Verfügung. Wichtig ist hierbei, dass du die Wund-Desinfektion nicht in tiefe Wunden oder gar in Wundtaschen gibst. Denn das kann laut Tina zu Gewebsnekrosen führen: Dabei wird die Zellstruktur unter der Haut deines Pferdes geschädigt oder die Zellen sterben gar ganz ab.

Diese Mittel können zur Behandlung empfohlen werden

Welches Mittel für dein Pferd am besten ist, hängt natürlich von der Art der Verletzung ab. Tinas Empfehlungen als erfahrene Tierärztin lauten wie folgt:

Zu empfehlende Mittel bei Prellungen und Hämatomen

Nicht nur unter Reitern und Pferdebesitzern, auch bei Menschen sind die Salben und Gels der Firma Heel aufgrund ihrer Wirkung sehr beliebt. Auch Tina verwendet diese häufig in ihrem Alltag als Tierärztin. Denn das Tolle ist, dass es sich hierbei um rein biologische Arzneimittel handelt. Du musst dir also nur wenig Sorgen über mögliche Nebenwirkungen bei deinem Pferd machen.

So führt zum Beispiel die Anwendung des Gels bei empfindlicher Haut oder bei oberflächlichen Hautirritationen viel seltener zu Hautreizungen als bei heparinhaltigen Gels. Des Weiteren empfiehlt Tina noch Tensolvet/Compagel zur Versorgung von Hämatomen und Prellungen.

Gel, Salbe, Tabletten und Injektion

Praktisch ist auch, dass die Mittel von Heel in verschiedene Formen angeboten werden: Neben Salbe und Gel erhältst du diese auch in Tablettenform sowie als Injektion. Tina empfiehlt diese aus folgendem Grund: Das Gel ist als Entzündungsregulator bei jeder Verletzung ein guter Begleiter, da es bei den leichten Verletzungen als Monotherapie und bei schweren Verletzungen begleitend zur Schulmedizin eingesetzt werden kann.“

Dementsprechend lässt sich das Gel sehr vielseitig nutzen, zum Beispiel auch, wenn dein Pferd unter Rückenschmerzen oder Arthrose leidet. Es kann außerdem als Präventionsmittel dienen. Wenn zum Beispiel eine Operation wie eine Kastration bevorsteht, kannst du es bereits vorher bei deinem Pferd anwenden. Oder du nutzt es als frischgebackener Pferdebesitzer bei deinem Jungpferd, das nun angeritten werden soll.

Dabei ist das Gel für die lokale Anwendung gedacht, sprich du schmierst es direkt auf die betroffenen Stellen wie das geprellte Bein oder den empfindlichen Rücken. Wichtig ist hier, dass du das Gel ein wenig einziehen lässt und zum Beispiel nicht sofort die Satteldecke drauf- oder gar die Gamaschen anlegst. Die Tabletten sind hingegen zur oralen Einnahme gedacht und wirken entsprechend im ganzen Körper deines Pferdes. Du kannst diese entweder direkt ins Futter mischen oder per Hand füttern. Oder du löst sie im Wasser auf und spritzt sie ins Maul deines Pferdes. Während die Injektion in der Regel lokal von deinem Tierarzt an die betroffene Stelle gespritzt wird und somit noch besser wirken kann.

Erste Hilfe beim Pferd
© pirita

Zu empfehlende Mittel bei Wunden

Nachdem du die Wunde bei deinem Pferd gereinigt und desinfiziert hast, kannst du eine Salbe nutzen, um die Heilung zu unterstützen. Für die Sommermonate und bei oberflächlichen Verletzungen und Schürfwunden empfiehlt Tina die Salbe Socatyl. ”Diese Salbe deckt eine Wunde zuverlässig ab und schützt so vor lästigen Insekten.”, erklärt Tina.

Zudem gibt Tina noch folgenden Tipp: „Leider fangen viele Wunden aber unter der Salbenkruste an zu sezernieren, was im ungünstigen Fall zu einer Infizierung mit Bakterien kommen kann. Bewährt hat sich der Einsatz von Präparaten, die helles, sulfoniertes Schieferöl enthalten wie zum Beispiel Ichtho Vet Shampoo*, Sommer und Fessel-Gel* oder Derma-Creme*. Der Inhaltsstoff hat antibakterielle, antimykotische und granulationsfördernde Eigenschaften und aufgrund des Geruches einen Repellent-Effekt.“

Das gehört auf jeden Fall in deine Stallapotheke!

Um im Notfall alles griffbereit zu haben und nicht erst auf den Stallnachbarn oder deinen Tierarzt warten zu müssen, solltest du dir eine Art Stallapotheke anschaffen. Tina empfiehlt, folgende Dinge in dieser zu haben: Watte*, Bandage*, Tupfer*, Wunddesinfektion*, Fieberthermometer*, Zeckenzange* und Schere*. Für mich sollten auch immer einige Ampullen Traumeel* ad us. vet. und Tabletten* sowie Gel* vorrätig sein.“

Das kannst du tun, um Verletzungen bei deinem Pferd vorzubeugen

Statt erst dann zu reagieren, wenn es schon zu spät ist und sich dein Pferd bereits eine Verletzung zugezogen hat, gibt es auch ein paar Dinge, die du tun kannst, um das Verletzungsrisiko deines Pferdes zu verringern. Zuallererst solltest du eine artgerechte Haltung deines Pferdes sicherstellen. Dazu gehört, dass es genügend freien Auslauf an der frischen Luft und ausreichend Kontakt zu seinen Artgenossen bekommt. Tina beschreibt es so: „Pferde sind Bewegungstiere und brauchen nicht nur Bewegung unter dem Reiter, dem Laufband, der Longe oder der Führanlage, sie sollten sich auch frei und in Gesellschaft anderer Pferde für einen Ausgleich bewegen dürfen.“

Des Weiteren ist es wichtig, dass du dein Pferd richtig trainierst. Dazu gehört neben der gymnastizierenden Arbeit unterm Sattel und dem Reiten von Dressurlektion auch die Freiheitsdressur sowie Bodenarbeit. Achte darauf, dein Pferd nicht zu überfordern, es immer ausreichend zu loben und es zu Beginn jeder Trainingseinheit genügend im Schritt warm zu reiten. Wichtig ist, dass du die Hinterhand deines Pferdes aktivierst, für genügend Schwung und ein fleißiges Vorwärts sowie für Abwechslung im Training sorgst – sei es mithilfe von abwechslungsreicher Trabarbeit, von gymnastizierender Arbeit im Galopp oder durch die Verlagerung eures Trainings ins Gelände.

Sollte dein Pferd eine schwere Verletzung oder Krankheit hinter sich haben und es nun langsam antrainiert werden, empfiehlt Tina einen Tierarzt zu Rate zu ziehen. Dieser kann besser einschätzen, ob unterstützende Präparate zu Beginn Sinn machen, und dir konkrete Trainingstipps geben. Das Gleiche gilt übrigens auch, solltest du vorhaben, das Training mit deinem Pferd zu intensivieren oder eben wenn du gerade dabei bist, ein junges Pferd anzutrainieren. Außerdem empfiehlt Tina, bei beschlagenen Pferden mit Gamaschen oder Bandagen zu arbeiten.

Richtig und schnell Handeln ist das A und O bei Verletzungen!

Sollte sich dein Pferd verletzen, denke daran, Ruhe zu bewahren und selbst nicht in Panik zu geraten. Es ist wichtig, dass du im Notfall einen kühlen Kopf bewahrst, um richtig handeln zu können. Bei kleineren Wunden reicht es aus, wenn du diese selbst versorgst. Dazu gehört die Reinigung und Desinfektion der Wunde. Bei größeren und blutenden Wunden solltest du umgehend deinen Tierarzt informieren und ihm die Situation genau schildern. Er wird dir sicherlich Anweisungen geben, was zu tun ist, bis er im Stall angekommen ist. Sollte dein Pferd stark bluten, empfiehlt es sich, einen Druckverband anzulegen und womöglich in die nächste Klinik zu fahren.

Sollte eine Prellung vorliegen, ist es wichtig, dass du diese gut kühlst und in den nächsten Tagen gut beobachtest. Auch hier empfiehlt es sich, deinen Tierarzt einzuschalten, insbesondere wenn sich diese im Gliedmaßenbereich befindet und die Knochen oder Gelenke deines Pferdes womöglich verletzt worden sind. Zur Behandlung von Prellungen und jeglichen Entzündungen empfiehlt Tina die biologischen Arzneimittel der Firma Heel*, die du sowohl lokal als Gel, als auch in Tablettenform anwenden kannst. Zudem können diese auch als Injektion von deinem Tierarzt direkt an die betroffenen Stelle injiziert werden und so noch besser wirken.

Mit welchen Verletzungen hat dein Pferd schon für böse Überraschungen bei dir gesorgt? Welche Tipps hast du noch zur Behandlung von Verletzungen und welche Mittel kannst du empfehlen? Teile deine Erfahrungen mit anderen Kultreitern in den Kommentaren!

*An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Tina Wassing sowie an vetepedia.de für das tolle Interview und die Unterstützung dieses Beitrages.

Titelbild: www.depositphotos.com – Yanakotina

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Kommentare

  1. Sehr wichtiger Artikel mit tollen Hinweisen, die jeder kennen sollte. Dann ist man auch nicht so geschockt, wenn wirklich mal was passiert und kann handeln. Vielen Dank dafür!

  2. Sehr guter Beitrag! Ich hatte schon mal so eine Situation und es endete nicht gut…
    Aber es ist gut, dass Du zu solchen Themen Beiträge schreibst. Weiter so: )

  3. Da sich meine Tochter ebenfalls für Pferde interessiert und noch zu klein ist im Falle selber zu helfen, habe ich mir diesen Artikel zu Herzen genommen.

    Ich hoffe natürlich, dass nie etwas passieren wird!

    Danke dafür

    • Hi Karl,
      danke für deinen Kommentar. Ich hoffe ebenfalls, dass nie etwas passiert! Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht, wie man so schön sagt 😉
      Alles Liebe,
      Line / Kultreiter

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