Was ist eigentlich aus der Dressur geworden? – ein Denkanstoß.

Zuletzt aktualisiert am: 30.11.22

Die Dressur samt ihren Dressur Lektionen ist eigentlich eine Kunst, ein wunderbarer Beweis dafür, dass Mensch und Tier gemeinsam und in Harmonie zur Perfektion gelangen können. Doch immer häufiger sieht man heutzutage keine Künstler mehr auf dem Rücken der Pferde sitzen, sondern verbissene Reiter, die ihre Pferde in eine gewünschte Haltung pressen, wenn nicht gar zwingen, und verbittert Dressur Lektionen abrufen. Was ist nur aus der einst so schönen Reitkunst geworden?

Was ist eigentlich aus der Dressur geworden?

Sind Dressur Lektionen zu einem Zwang für Pferd und Reiter geworden?

Reiten als Reitkunst

Reiten wird schon seit der Antike als Form der Kunst angesehen und entstand aus Reitübungen, die für festliche Paraden entwickelt wurden oder um Kriegspferden eine abwechslungsreiche Bewegung zu verschaffen. Heutzutage lässt sich die Reitkunst vor allem in die Barocke und die Klassische Reitkunst unterteilen, wobei beide das Ziel verfolgen, das Pferd zu gymnastizieren. Durch die Ausbildung soll das Pferd lernen verschiedene Lektionen mit großem Schwung und Raumgriff auszuführen – und das spielerisch leicht und ohne Zwang.

Der Reiter als Künstler

Während die Barocke Reitkunst aus dem 16. bis 18. Jahrhundert stammt und dazu diente, im Krieg verwendete Reitmanöver zu veredeln, entwickelte sich die Klassische Reitkunst im 19. Jahrhundert und umfasst sowohl Lektionen aus der Barocken Reitkunst, als auch weitere Kunstgangarten. Beide Reitkünste bauen also auf den selben Prinzipien auf und streben ein harmonisches Bild von Pferd und Reiter an. Dabei wird das Pferd als Kunstobjekt und der Reiter als Künstler gesehen, der es schafft, das Pferd durch eine feine Hilfegebung und konzentrierter Geisteshaltung in Szene zu setzten.

Die Pfeiler der Ausbildung

Basierend auf den Werken großer Reitmeister wie Guérinière oder Steinbrecht wurden im Laufe der Zeit die Pfeiler der Pferdeausbildung entwickelt, die heutzutage in eine Ausbildungsskala mit 6 wichtigen Punkten unterteilt wird. Dabei ist der wichtigste Bestandteil der Skala die Zwanglosigkeit des Pferdes: ein Pferd sollte beim Reiten immer ganz und gar entspannt sein, sowohl physisch als auch psychisch. Denn nur so ist das Pferd motiviert und kann seine volle Leistungsfähigkeit entfalten.

Die Punkte der Ausbildungsskala:
• Takt
• Losgelassenheit
Anlehnung
• Schwung
• Geraderichtung
• Versammlung

Die Dressur und der Dressursport

Auch die Dressur, die heutigen Dressur Lektionen sowie der gesamte Dressursport lehnen sich an die Lehren der Reitkunst an und verfolgen die sechs Grade der Ausbildungsskala. Jedoch hat der Dressursport weniger einen künstlerischen Anspruch, sondern verfolgt das Ziel, das Pferd auf Wettbewerben vorzustellen und die gewünschten Dressur Lektionen möglichst perfekt zu zeigen:

„Idealerweise und theoretisch sollte es keinen Unterschied zwischen der klassischen Schule und dem Dressursport geben: In der Praxis ist er jedoch vorhanden. Das Ziel der klassischen Schule ist es, das Pferd durch eine logische und psychologische Ausbildung zu gymnastizieren. Der Dressursport möchte den Pferden Lektionen für den Wettbewerb beibringen.“ ~ Kurt Albrecht

Die Dressur heutzutage

Leider scheint es so, als ob die Dressur heutzutage nicht mehr viel mit der Reitkunst zu tun hat, aus der sie einst entwickelt wurde. Viel zu oft sieht man Pferde, die viel mehr in eine gewünschte Haltung gepresst werden, als dass sie Dressur Lektionen mit Leichtigkeit vorführen. Pferde, deren Gesichter und Körpersprache keine Freiwilligkeit ausstrahlen, sondern viel mehr Angst und Schmerzen. Pferde, die mit scharfen Hilfsmitteln und grober Hilfegebung, zu Dressur Lektionen gezwungen werden. Oder Pferde, die auf Wettbewerben hoher Klassen wichtige Pfeiler der Ausbildungsskala nicht beherrschen, keine Losgelassenheit, keinen wirklichen Schwung und keine aktive Hinterhand zeigen.

Reiter sind keine Künstler mehr

Es wird an Zügeln gezogen, gar gerissen, es werden Sporen in die Bäuche der Pferde gerammt, Gerten genutzt, um Pferde zur Gehorsam und zur Bewegung zu schlagen, während falsch und zu eng versperrte Sperriemen den Pferden das Maul verschnüren und ihnen das Atmen und Schlucken erschweren. Wo sind die feinen Hilfen geblieben, wo die scheinbar unsichtbare Kommunikation, wo die Harmonie von Pferd und Reiter, wo die einstigen Reitkünstler?

Die Dressur feiert sich

Und dennoch feiert sich die Dressur heutzutage, hinterfragt nicht und folgt gängigen Mustern und Traditionen. In privaten Ställen und Vereinen lernen Schüler keine Leichtigkeit, sondern werden von „erfahrenen Reitlehrern“ gelobt, wenn sie sich (oftmals gewaltvoll) durchsetzten können. Leider erringen viel zu viele Reiter mit solchen Methoden und fehlenden Ausbildungsprinzipien Siege auf Wettbewerben und Turnieren.

Reiter und Pferde werden wie Stars gefeiert

Bekannte Reiter wiederum werden bejubelt und junge Pferde als Stars gefeiert, wie der kürzlich von Edward Gal vorgestellte Glock’s Zonik. Dabei sieht man im Video ein Pferd, das weder Takt noch Losgelassenheit beherrscht, ein Zeichen dafür, dass es weder entspannt ist noch unter Zwanglosigkeit läuft. Viel mehr scheint das Pferd unterm Reiter davon zu laufen, zu zappeln, und führt die gewünschten Dressur Lektionen sofort aus. Mal ganz abgesehen von den falsch nach außen sowie unten zeigenden Zehen des Reiters – wahre Reitkunst sieht anders aus.

 

Video Quelle: www.facebook.com/equinl.equinl

Wo soll es hingehen?

Bei solchen Bildern und Videos bleibt nur die Frage: Wo soll es mit der Dressur und dem Dressursport hingehen? Und wie lange noch wird diese Form des Dressursports zu Lasten des Pferdes ausgetragen? Wann wachen Reiter und die Reitsportindustrie endlich auf? Wann findet die Dressur endlich wieder zu ihren Wurzeln zurück und zeigt Pferde und Reiter, die in Harmonie und mit Leichtigkeit Dressur Lektionen ausüben? Wann werden fliegende Galoppwechsel wieder zu einem Kunstwerk, wann werden Reiter endlich wieder zu Künstlern?

Lesetipp: Auch Christina von Herzenspferd beschäftigt sich in diesem Beitrag mit dem wahren Ziel der Dressur und warum es in Vergessenheit geraten ist.

Macht Dich der heutige Dressursport genauso traurig? Und wie glaubst Du, kann die Dressur endlich wieder zu ihren Wurzeln in der Reitkunst zurückfinden?

Bild: www.depositphotos.com – vikarus

* Dieser Beitrag soll keine allgemeine Kritik an Dressur- oder Turnierreiter darstellen, sondern lediglich zum Nachdenken anregen.

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Kommentare

  1. ich bin der Meinung, dass Problem sind die Richter -vorallem in den höheren Klassen- die sich nicht trauen eine solche Leistung schlecht zu bewerten. Zu lange schon haben sie nicht gehandelt es hat sich quasi eingeritten das LDR und pferde die Imposant die Vorderbeine schmeißen gute Dressurpferde sind. Durch das nicht handeln der Richter in den hohen Klassen bei solchen Vorstellungen überträgt sich dies auf die kleinen. Wenn in E-Dreesuren zu dauerhaft zu eng gehende Pferde ohne klaren Takt und Losgelassenheit besser bewertet werden, als Pferde die sich ein zwei mal in der Einsteigerklasse aus dem Zügel heben uns ansonsten eine solide, den Ansprüchen gerecht werdende Taktreine und Losgelassene Aufgaben abliefern, ist das Problem für mich klar. Wie viel einfacher ist es, sein Pferd runterzuziehen und mit viel Druck und Zwang zu reiten als wirklich an dem Problem zu arbeiten. Jeder weiß das eine solche Reitweise schlecht ist und doch machen es ja alle, da ist es für den Nachwuchs deren Vorbilder bei Rath liegen ja nicht so schlimm ebenfalls so zu handeln. So zieht sich die zwanglose Reiterrei immer mehr zurück und die Pferde sind die die Leiden.

    • Hallo liebe Melanie,
      Du hast leider vollkommen Recht! Die meisten reiten auf die einfache Art mit Gewalt und es sind die Richter, die dies akzeptieren bzw. gar gewinnen lassen. Es wird immer mehr Beineinsatz von den Pferden verlangt, und gleichzeitig immer weniger auf die eigentlichen Grundpfeiler der Pferdeausbildung geachtet. Schneller, höher, weiter – wie leider so oft im Sport. Ich sehe aber einen Wandel, wenn auch klein, fangen immer mehr Leute eben das an zu hinterfragen und begreifen, dass das, was sie sehen, nicht gut ist und keinen Grund zum Jubeln hat. Wenn wir alle, auch Du und ich, so weiter machen, über die Missstände reden, nicht weggucken, sie ansprechen, und geduldig aufklären, aber nicht hetzten und Hass schüren, dann kann sich die Welt für Pferde bald in eine bessere wandeln und die Dressur wird endlich wieder zu einer wunderschönen Kunst, der man mit Freude zugucken kann!
      Alles Liebe,
      Line / Kultreiter

  2. Die Reiterei auf Turnieren war schon schlecht, als ich mit Reiten anfing, und ich habe sie damals bereits kritisch betrachtet. Damals war Riegeln in. Es war derart offensichtlich, dass ich als Jugendlicher bereits sehen konnte, wie weit Turnierreiten von Harmonie und den klassischen Grundsätzen entfernt war. Das ist jetzt über 35 Jahre her. Es ist seit damals alles noch viel schlechter geworden. Die Pferde sind umgezüchtet worden, die Reiter sind schlechter, und die Richter haben schlichtweg keine Ahnung.

    Daher kann ich keinen Wandel zum Besseren sehen, der von Bestand wäre.

    • Hallo Liebes,

      es ist wirklich nicht schön, was man heutzutage auf Turnieren und Abreiteplätzen sieht, und noch schlimmer ist, dass eben das von so vielen gefeiert wird. Und ja, ich finde es heute auch noch schlimmer als früher, denn der Leistungs- und Erfolgsdruck für Pferd und Reiter ist enorm gestiegen. Es ist wirklich ein Sport, ein Wettkampf, und keine Kunst mehr.

      Dennoch glaube ich, dass es sich, wenn auch im Kleinen, bessert. Es gibt immer mehr Menschen, die auf eben diese Missstände aufmerksam machen, die aufklären, und solche Bilder nicht mehr dulden, etwas dazu sagen. Irgendwann kommt das auch „oben“ an, und dann auch endlich bei den Pferden, die es betrifft!

      Und ich sehe den Wandel schon sehr deutlich: durch alle meine Leser, wie auch Dich, durch alle E-Mails und ehrlichen Worte und Geschichten, die ich erhalte, und dadurch, dass es immer mehr Seiten wie Kultreiter gibt 🙂

      Wir müssen einfach weiter an das Gute glauben und aufklären!

      Alles Liebe,

      Line / Kultreiter

  3. Ach je, ich finde es einfach Wahnsinnig was zum Teil abgeht. Erfolg bis zum bitteren Ende. Turniere sollen da noch spaß machen? Ich weiß nicht. Ich kann es mir nur sschwer vorstellen. Wirklich.

    Danke für deinen Beitrag!

    Liebe Grüße Silli von pferdigunterweg.com

  4. Leider fängt es schon beim Reitunterricht in Manegen an. Da lernt man kaum wie man sitzen soll, wass Balance bedeutet und Bodenarbeit ist minderwertig. Man fängt an mit Schlauzügel und lernt die Kinder nicht dass es auch ohne kann. Dann will man die Kinder nicht entmütigen (lese Kunden verlieren) und tut man alsob Pferdreiten einfach ist; dann fängt Zwang an. Melanie hat recht, es sind die Richter die korrigieren könnten, wäre es nicht dass sie das nur einmal tun könnten. Nachher werden sie nicht länger eingeladen. Und so geht man weiter bis auf hohe Ebene. Alles ist nicht Wahr aber man will und kann es nicht sehen. Es hat alles zu tun mit Kommerz; Vom Ponyreiten bis die Spanische Hofreitschuhle. Leider kümmert auch Xenofon sich nur um Top-Reiter, wennes zu spät ist!

  5. Ich hab mir kürzlich ein Buch von Fritz Stahlecker, das ist der mit der HSH-Methode durchgelesen, da stand ganz viel drin wie Reitausbildung früher war, es ist einfach vieles in Vergessenheit geraten weil es zu lange dauert oder zu angeblich zu kompliziert ist wie z.B. die Kandare 3:1 reiten sprich die Kandarenzügel in der nicht dominanten Hand weil die feiner ist. Man hat dann in einer Hand quasi 3 Zügel und in der anderen nur den 1 Trensenzügel. Ich hab mir Fotos mit 3:1 im Vergleich zu 2:2 angeguckt und finde die Pferde sehen bei 3:1 einfach schöner aus. Bei 2:2 ist auf den Zungenrändern zu viel Druck.

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