So reitest du dein Pferd in Anlehnung – samt Tipps von den Profis!

Zuletzt aktualisiert am: 14.10.17

Die richtige Anlehnung ist ein viel diskutiertes Thema in der Reiterei und gleichzeitig der Grundstein für korrektes, feines und vor allem artgerechtes Reiten. Doch was genau bedeutet die Anlehnung und inwieweit hat sie etwas mit dem Gebiss zu tun? In diesem Beitrag findest Du hilfreiche Infos zur Anlehnung samt Erklärungen und Tipps von drei Reitprofis und Pferdeausbildern!

Anlehnung Pferd: Wie sieht sie aus und was gehört dazu?

Inklusive Tipps und Erklärungen von drei Profis!

Was ist Anlehnung, was nicht?

Die FN definiert die Anlehnung als eine “…stete, weich-federnde Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul.“ Diese Definition deutet an, dass die Anlehnung eine Art Kommunikation zwischen Pferd und Reiter ist. Leider verwechseln viele Reiter Anlehnung mit konstanter Zügelspannung, und denken, dass die Anlehnung auf einen bestimmten Bereich beschränkt ist.

Die Anlehnung entsteht aber eben nicht durch Druck auf den Zügel, sondern als Ergebnis einer aktiven Hinterhand, die aufgrund der reiterlichen Einwirkung mehr und mehr Gewicht aufnimmt und für einen schwingenden Rücken sorgt. Sie kann also als eine Funktion des Schubes und der Tragkraft angesehen und muss immer ganzheitlich betrachtet werden.

Dementsprechend hat die Anlehnung auch wenig mit dem Maul des Pferdes an sich zu tun, sondern viel mehr mit der Haltung und Geschmeidigkeit des gesamten Pferdekörpers. Die Anlehnung sollte deshalb niemals starr, sondern immer dynamisch sein, und ist ein wichtiger Indiz dafür, ob das Zusammenwirken der Hilfen korrekt erfolgt.

Die Anlehnung musst Du Dir also als ein Gesamtbild vorstellen: Dein Pferd tritt hinten mit aktiver Hinterhand unter, entwickelt den nötigen Schwung und federt das Gewicht durch den ganzen Körper geschmeidig bis nach vorne ins Maul. Aus diesem Grund wird übrigens auch oftmals davon gesprochen “das Pferd von hinten nach vorne zu reiten”. Letztendlich ist die Anlehnung also wie eine Verbindung zwischen der Hinterhand Deines Pferdes, seinem Rücken, Deiner Hand und seinem Maul über die Zügel.

Lesetipp: Wie Du die Hinterhand Deines Pferdes aktivierst, kannst Du in diesem Beitrag nachlesen!

Was passiert bei der Anlehnung?

Wenn Dein Pferd in Anlehnung läuft, bedeutet dies, dass die Unterhalsmuskulatur locker ist, während die Oberhalsmuskulatur aktiv arbeitet und den Hals somit trägt. Zudem fängt Dein Pferd an am Gebiss zu kauen, seine Kiefergelenke sowie die Zunge und das Genick zu entspannen. Die korrekte Anlehnung zeigt sich also anhand einer bestimmten Kopf-Hals-Haltung, bei der das Genick Deines Pferdes den höchsten Punkt bildet. Dein Pferd dehnt sich dabei mit seinem Hals nach vorne-unten, und lässt so eine konstante Zügelverbindung entstehen. Es tritt aktiv mit seiner Hinterhand unter und geht somit in Selbsthaltung.

Allerdings ist jedes Pferd ein wenig anders gebaut, weshalb diese Haltung je nach Gegebenheiten des Exterieurs, aber auch des Interieurs, anders aussehen kann. Zudem spielt auch der Ausbildungsstand des Pferdes und natürlich das Können des Reiters eine Rolle!

So Erklärung drei Profis die Anlehnung:

Daniela Schinko von Hippovital:

„Anlehnung bedeutet für mich der Kontakt aus der Verbindung der zügelführenden Hand, dem Pferdemaul und der Hinterhand des Pferdes. Der Ursprung der Anlehnung resultiert aus der Aktivität der Hinterhand und dem entsprechenden Fußungsverhalten. Je mehr das Pferd sich sozusagen selbst trägt, umso feiner und leichter wird dieser Kontakt werden. Hingegen wird das Pferd, wenn es vermehrt Schubkraft entwickelt, sich unter Umständen mehr „in die Hand“ legen.

Eine korrekte Anlehnung entsteht also, wenn sie von „hinten nach vorne“ geritten wird, und hat nichts mit am Zügel ziehen, oder einem aushalten der Zügelhand zu tun, wie das oft fälschlicherweise praktiziert wird. Die Aktivität der Tragkraft der Hinterhand sendet ihre Energie über den Rücken des Pferdes über die gesamte Wirbelsäule, und nimmt Einfluss auf die Kopf-Hals-Achse, und somit auf die Vorhand des Pferdes.
Aufgrund der enormen Hebelwirkung durch die Länge des Schädels potenziert sich jeder aktive Zügelanzug auf das Genick und schränkt die Amplitude der Vorhand mitunter dahingehend ein, dass es zu Trittverkürzungen und einer Behinderung am Vorschwingen der Vorhand kommt. Von daher erkennt man eine reelle Anlehnung mitunter auch an einer freien Schulter des Pferdes.“

Reitlehrer und Ausbilder Andreas Werft:

“Anlehnung beschreibe ich als eine stetige, weich federnde und in der Bewegung mitgehende Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul. Diese Verbindung muss das Pferd ohne Zwang suchen. Niemals darf der Reiter versuchen über das Gebiss das Pferd in Anlehnung zu ziehen.

Um dieses dem Reitschüler deutlich zu machen, verwende ich oft den Satz: „Gebiss zur Hand und nicht Hand zum Gebiss“, das bedeutet nichts anderes, als das sich das Pferd mit dem Maul (Gebiss) freiwillig zur Hand des Reiters begibt und nicht der Reiter unter Kraftanwendung den Pferdekopf (das Maul über das Gebiss) zu sich zieht.”

Gebisslos-Reiterin Alessa Neuner:

“Laut Definition bedeutet das Wort Anlehnung so viel wie ein Sich-Stützen, eine enge Orientierung. Und das gibt in meinen Augen schon ein gutes Sinnbild für eine korrekte Anlehnung zwischen Pferd und Reiter. Wie auch gute Kommunikation, so sollte korrekte Anlehnung als Dialog, nicht als Monolog verstanden werden.

So wünscht man sich natürlich in die eine Richtung, dass unser Pferd die Hilfen und Informationen, die es durch die Zügelhand erhält, annimmt und entsprechend umsetzt. Doch korrekt ist in meinen Augen Anlehnung nur, wenn die Kommunikation auch in die andere Richtung funktioniert und ich als Reiter Informationen annehme, die ich durch die Anlehnung vom Pferd bekomme.

Wenn man so will ist korrekte Anlehnung also eine sehr feine Form der Kommunikation, dem Austausch von Informationen. Auf dieser Basis kann die Anlehnung dem Pferd eine wunderbare Orientierung geben. Korrekt ausgeführt, ermöglicht sie dem Pferd, sich an die Reiterhilfen „anzulehnen“, ihnen zu folgen und sie tatsächlich als Hilfen anzunehmen.”

Anlehnung vs. Beizäumung

Neben dem, dass viele eine falsche Vorstellung von der korrekten Anlehnung haben, wird diese auch oftmals mit der Beizäumung des Pferdes verwechselt. Dabei ist die Beizäumung eine Folge, oder eine Art Nebenerscheinung der korrekten Anlehnung. Bei der Beizäumung wölbt sich der Hals Deines Pferdes und das Genick biegt sich. Der Hals Deines Pferdes wird also rund, während es seine Nase durch die Genickbiegung herannimmt.

Wichtig ist nur, dass Dein Pferd auch hier mit der Stirn-Nasenlinie vor, oder maximal an der Senkrechten steht, und dass das Genick immer noch den höchsten Punkt bildet. Deine Zügelverbindung muss in der Beizäumung weiterhin federnd sein, um eine konstante und feine Anlehnung zu gewähren. Auch hier hat die Beizäumung genau wie bei der Anlehnung nichts damit zu tun, Druck auf die Zügel zu bringen oder an ihnen zu ziehen. Die Beizäumung wird deshalb auch oftmals mit den Worten “am Zügel gehen” beschrieben.

Wenn Du Dein Pferd dressurmäßig gymnastizierst und immer fein mit einer weichen und nachgebenden Hand reitest, wird es automatisch locker im Genick und läuft bald von alleine in Beizäumung.

Aber auch hier gilt: jedes Pferd ist anders und entsprechend sieht die Beizäumung bei jedem Pferd ein wenig anders aus. Das hängt vor allem mit der Ganaschenfreiheit Deines Pferdes zusammen: wenn es eine ausreichende Ganaschenfreiheit hat, lässt es sich ohne Probleme beizäumen, während dies mit geringer Ganaschenfreiheit kaum möglich ist.

Warum die korrekte Anlehnung so wichtig ist

Die Anlehnung hilft Deinem Pferd dabei, sich auszubalancieren und sorgt dafür, dass ihr ein gemeinsames Gleichgewicht findet. Zudem kannst Du mit Hilfe der korrekten Anlehnung den Rücken Deines Pferdes stabilisieren, sodass es Dein Reitergewicht ohne gesundheitliche Folgeschäden tragen kann.

Egal ob Du nun Freizeit- oder Turnierreiter bist, sollte Dein Anspruch immer sein, Dein Pferd gesund zu reiten. Und das bedeutet eben, dass Du Dein Pferd in korrekter, leichter und vor allem zu Deinem Pferd passender Anlehnung reitest!

Die Anlehnung als Teil der Pferdeausbildung

Die korrekte Anlehnung ist ein wichtiger Bestandteil in der Pferdeausbildung und der dritte Punkt der Ausbildungsskala, nach Takt und Losgelassenheit. Dementsprechend muss Dein Pferd erst taktrein sowie losgelassen unterm Sattel laufen, bevor Du es in Anlehnung reiten kannst. Denn nur wenn Dein Pferd losgelassen ist, wird es sich an Deine Hand herandehnen.

Lesetipp: Wie genau die Losgelassenheit aussieht, erklären Dir 6 wunderbare Pferdemenschen in diesem Beitrag!

Die 6 Punkte der Ausbildungsskala
– Takt
– Losgelassenheit
– Anlehnung
– Schwung
– Geraderichtung
– Versammlung

Dabei besteht das Ziel der Ausbildung darin, die Anlehnung fürs Pferd immer leichter werden zu lassen, sodass ein bereits älteres Pferd länger in Anlehnung laufen kann. Sobald Dein Pferd die letzte Stufe der Ausbildungsskala, also die Versammlung, erreicht hat, fällt die Verbindung zum Maul weg und Dein Pferd trägt sich in absoluter Aufrichtung selbst. Solltest Du ein eher jüngeres Pferd reiten, benötigt es von Dir noch ein wenig mehr Unterstützung, da es sich noch nicht so gut ausbalancieren kann.

Tipp: Du kannst die Anlehnung bei einem jungen Pferd besonders durch häufiges Zügel-aus-der-Hand-kauen lassen verbessern!

So spürst Du die Anlehnung und reitest richtig

Im Sattel spürst Du diese Gewichtsaufnahme insbesondere in Deinen Händen: es fühlt sich an, als ob Du sanft in die Bewegung Deines Pferdes hineingezogen wirst. Dieses Gefühl ist die Anlehnung, eine gleichmäßige, federnde und weiche Verbindung zwischen Dir und Deinem Pferd. Dabei sollte Dein Pferd die Anlehnung immer von selbst suchen!

Allerdings musst Du bedenken, dass jedes Pferd unterschiedlich gebaut ist, sich somit auch unterschiedlich stark dehnt und die Anlehnung sich bei jedem Pferd entsprechend anders anfühlt. Bei manchen Pferden ist es nur ein ganz leichtes Ziehen, bei anderen fühlt sich dieses wiederum ein wenig stärker an. Zudem treten die meisten Pferde aufgrund der natürlichen Schiefe rechts und links unterschiedlich an das Gebiss heran.

Dein Pferd wird Dir also von selbst zeigen, wie stark es die Anlehnung sucht. Wichtig ist, dass Du sehr fein reitest und auf Dein Pferd hörst. Wie bereits erwähnt, ist die Anlehnung eine Art Kommunikation zwischen Dir und Deinem Pferd über die Zügel.

So fühlst Du die Anlehnung laut Andreas Werft:

“Die Korrekte Anlehnung entsteht dadurch, dass der Reiter über seinen korrekten, ausbalancierten und geschmeidig in der Bewegung mitgehenden Sitz über Gewichts-und Schenkelhilfen das Pferd durch eine aktive Hinterhand dazu bringt an das Gebiss freiwillig heranzutreten bzw. sich die Anlehnung zu suchen. Schafft der Reiter dies, fühlt er, dass sein Pferd vermehrt untertritt, die Hinterhand anfängt zu arbeiten und bereit ist vermehrt Last aufzunehmen.

Durch die aktive Hinterhand und das suchen der Anlehnung wird der Reiter dann mit einem schön schwingenden, tragfähigen Rücken belohnt.”

So sollte es sich wiederum nicht anfühlen:

“Wird die Anlehnung dagegen falsch, also durch Zügelzug ohne korrektes Herantreiben erstellt, wird das Pferd zwar vielleicht auch den Kopf abklappen, der Rücken wird aber durchhängen – kein Spannungsbogen ist sichtbar, da die Hinterhand nicht aktiv ist und das Pferd auf der Vorhand „latscht“ .

Das Schwingen des Rückens bzw. die energisch untertretende Hinterhand wird dann nicht zu fühlen sein. Die Dynamik ist nicht sichtbar. Das Pferd wird sich dann entweder schwer auf dem Zügel abstützen und drauflegen oder nach oben herausheben. Diese falsche Anlehnung wird niemals konstant sein und das Pferd wird sich verwerfen, den Kopf schlagen und sich im Rücken festmachen.”

Tipps für eine konstante, leichte Anlehnung

Um Dein Pferd in Anlehnung reiten zu können muss es zunächst im Takt und losgelassen laufen. Wichtig ist, dass Du Dein Pferd mit Sitz und Schenkeln genügend treibst, damit es fleißig vorwärts geht. Mit Deinen Schenkeln reitest Du es also zunächst ans Kreuz und übers Kreuz dann an die Hand. Deine Zügel geben dabei schlichtweg den Bewegungsrahmen vor.

„Gib dem Pferd die Haltung (die es zum Ausführen benötigt) – und lass es gewähren! ~ Nuno Oliveira“

Selbst wenn Dein Pferd sehr flott unterwegs ist, solltest Du keinen Druck auf die Zügel ausüben. Denn hinten zu treiben und das Pferd dabei vorne festzuhalten, ist absolut falsch! Warte stattdessen einfach mit Deiner Hand ab. Alternativ kannst Du auch ein wenig mit Deinen Fingern spielen und so die Kautätigkeit Deines Pferdes anregen. So hilfst Du Deinem Pferd dabei, das Kiefergelenk locker zu machen und im Genick zu entspannen. Zudem kann die Verbindung am äußeren Zügel jeweils etwas stärker, beziehungsweise stabiler sein.

So reitet Andreas, um sein Pferd in Anlehnung zu bekommen:

“Der Grundstein für ein in Anlehnung laufendes Pferd wird schon in der ersten Phase (Lösungs- und Aufwärmphase) gelegt.

Normalerweise wird das Pferd in der Aufwärmphase zuerst psychisch sowie physisch auf die Arbeitsphase vorbereitet, durch gymnastische Übungen wie Stellung und Biegung anfragen, viele gebogene Linien und Seitengänge, versucht man das Pferd zu vermehrtem Untertreten zu bewegen und die Hinterhand zu aktivieren. Ein Zusammenspiel bzw. Ab-und Anspannen aller wichtigen Muskelgruppen ist dafür von Nöten.

Wichtiger Bestandteil, um in richtiger Anlehnung reiten zu können, ist dass das Pferd von Anfang Vertrauen zur Reiterhand findet, von daher sollte ein hartes und ruppiges Zügelaufnehmen unbedingt vermieden werden.

Da viele Reitschüler, beziehungsweise Reiter gar nicht in der Lage sind korrektes Schulterherein oder Schenkelweichen zu reiten, oder das Pferd zum Beispiel durch die Ecke „schlurfen“ lassen, wo eine Ecke ja eigentlich eine Viertel Volte ist und man den gymnastischen Effekt nur erhält, indem man beim Durchreiten dieser das Hinterbein nochmals aktiv weitertreibt, was aber selten zu sehen ist, habe ich in Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten und Tierärzten meine „Kringel“ auch „Equicurl“ genannt erarbeitet.

Das ist ein speziell entwickeltes Lösungsprogramm, das einfach angewendet und von den meisten nach einiger Anweisungszeit problemlos nachgeritten werden kann. Das Pferd ist hier quasi gezwungen, dass jeweilige Hinterbein beim „Kringeln“ vermehrt zu benutzen.

Es werden alle Muskeln gelockert und das Pferd lässt in kürzester Zeit seinen Hals fallen und geht locker vorwärts-abwärts ohne Zügelzug und Stress. Nach dieser Lösungsphase sucht das Pferd meist ohne Probleme nach der richtigen Anlehnung, die Hinterhand ist durch das Kringeln aktiviert, und so gibt es kaum noch Pferde für die man zum Beispiel Gerte oder Sporen dauerhaft braucht.

Dieses Kringeln wird über die Maultasche sowie den Gewichtshilfen des Reiters geritten und als positiver Nebeneffekt wärmt sich so auch der Reiter gleich entsprechend mit auf.“

Tipps für die gängigsten Probleme

Dein Pferd zieht stark am Zügel

Wenn Dich Dein Pferd noch zu stark in die Bewegung reinzieht, musst Du die Zügel ein wenig nachgeben, bis eine angenehme, leichte Zügelverbindung entsteht – ganz ohne wirklichen Druck. Dabei solltest Du die Zügel langsam nachgeben, und nicht zu viel auf einmal. Denke dran: es ist wie ein Dialog zwischen Dir und Deinem Pferd und es wird Dir zeigen, wie viel an Zügellänge es noch braucht.

Zwar solltest Du langsam nachgeben, aber nicht zu spät mit dem Nachgeben beginnen. Sprich, fang sofort an nachzugeben, tue dies aber bedacht. Wenn Du zu lange wartest, und gegen das Ziehen anhältst, wird Dein Pferd gegen diesen Druck angehen und entweder den Kopf nach oben nehmen oder sich hinter der Senkrechten verkriechen – so kann es kein Vertrauen zu Deiner Hand aufbauen!

Niemals krampfhaft gegenhalten!

Es gibt leider viele Reitlehrer, die ihren Schülern sagen, dass sie erst einmal gegen diesen Zug gegen halten sollen bis das Pferd “von sich aus nachgibt”. Bei manchen Pferden mag das tatsächlich nach ein paar Runden im Trab funktionieren, letztendlich hat dies aber nichts mit der richtigen Anlehnung, einer guten Zügelverbindung oder gar etwas mit Kommunikation und Dialog zu tun. Dein Pferd wird so kein Vertrauen zu Deiner Hand finden. “Gegenhalten” ist nie eine gute Option und hat nichts mit feinem Reiten zu tun!

Tipp: Es gibt Pferde, die sich, auch wenn Du genügend nachgegeben hast, noch gerne hinter der Senkrechten verkriechen. Pferde, die ungünstig gebaut sind und zum Beispiel einen tiefen Hals haben oder überbaut sind, neigen oftmals dazu, das Gebiss als eine Art Stütze zu nutzen und legen sich quasi auf den Zügel. Hier können Paraden nach oben am äußeren Zügel helfen. Aber auch hier gilt: höre dabei auf Dein Pferd und reite es vorwärts. Auch Paraden haben nichts mit Ziehen oder Zügeldruck zu tun, sondern sind eine feine Art der Kommunikation zwischen Dir und Deinem Pferd.

Dein Pferd zieht kaum am Zügel

Spürst Du hingegen gar keine Anlehnung, sprich noch nicht einmal ein leichtes Ziehen, musst Du die Zügel ein wenig aufnehmen, bis eine konstante Verbindung entsteht. Auch hier gilt: nehme Deine Zügel langsam und bedacht auf, und höre dabei auf Dein Pferd – es wird Dir schon zeigen, wie weit Du die Zügel aufnehmen kannst.

Wichtig dabei ist, dass Du dein Pferd dabei weiterhin vorwärts reitest, ansonsten sorgt die Zügelaufnahme dafür, dass Dein Pferd an Tempo, an Schub- und somit auch Tragkraft verliert, was natürlich auch die Anlehnung zerstört.

Lesetipp: Viele Reiter haben gerade beim Reiten von Übergängen und dem damit verbundenen Annehmen der Zügel Schwierigkeiten, die Anlehnung beizubehalten. Das liegt oftmals daran, dass das Zusammenspiel der Hilfen nicht stimmt, das Pferd sich deshalb heraushebt und die Anlehnung somit verloren geht. Wie Du Übergänge richtig reitest, erfährst Du in diesem Beitrag!

Ist eine Anlehnung ohne Gebiss möglich?

Es wird viel diskutiert, ob ein Pferd auch ohne Gebiss in Anlehnung gehen kann. Diese Diskussion rührt vor allem von der FN-Definition der Anlehnung, die ausdrücklich von einer Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul spricht. Denn die Verbindung zum Maul kann es ohne Gebiss natürlich nicht geben. Allerdings ist die korrekte Anlehnung vielmehr eine Frage der richtigen Haltung des Pferdes, und sollte eben über diese definiert werden.

Ein Pferd kann also entsprechend auch ohne Gebiss in Anlehnung gehen, auch wenn hier vielleicht nicht von einer feinen Anlehnung im Sinne der Kommunikation zwischen Reiterhand und Pferdemaul gesprochen werden kann. Entscheidend ist, dass das Pferd aktiv mit der Hinterhand arbeitet, das Genick entspannt und in Selbsthaltung läuft.

Lesetipp: Alles übers gebisslose Reiten, die Vorteile und Kritiken, findest Du in diesem Beitrag!

Was sagen Profis zu dieser Diskussion?

Daniela von Hippovital:

“Für mich stellt das Gebiss dahingehend ein feines Kommunikationsmittel dar, das es mir erlaubt, gezielter als gebisslos Einfluss auf das Pferd zu nehmen. Die Zunge ist erheblich am Gleichgewicht des Pferdes beteiligt, und zu dem ein hoch sensibles Organ mit strukturellen Verbindungen über die Schulter bis zum Brustbein. Verloren gegangenes Gleichgewicht lässt den feinen Kontakt der Anlehnung schwinden. Auf Trense geritten spürt man bei feiner Zügelhand jegliches Festmachen der Zunge, was stets mit Balanceverlust einhergeht, direkt und kann dem Pferd Hilfestellung leisten sein verloren gegangenes Gleichgewicht wieder zu erlangen. Dabei dürfen jedoch niemals die Zügelhilfen vorherrschen!

Ein weiterer Faktor, der auch unmittelbar mit dem vorigen Punkt in Zusammenhang steht, ist der lockere Unterkiefer des Pferdes. Jedes Pferd kann für gewisse Sequenzen den Unterkiefer fest machen und sprichwörtlich die Zähne zusammen beißen. Dabei geht nicht nur der feine Kontakt der Anlehnung verloren, sondern das Pferd verspannt sich allgemein und hat Störungen im Gangbild zur Folge. Im weiteren Sinne löst der lockere Unterkiefer nicht nur das Genick des Pferdes, sondern ist auch entscheidend für die Möglichkeit der Lastaufnahme der Hinterhand.

Selbstverständlich kauen auch Pferde gebisslos ab und lösen somit den Unterkiefer. Jedoch lässt sich das niemals so zielgerichtet und direkt ausführen wie auf Trense. Man denke dabei an Francois Baucher (1796 – 1873), der das Maul des Pferdes als Parameter seines Körpers bezeichnete, und in seinem System die Abkau- und Biegeübungen entwickelte. Dabei wird primär auf die Maulwinkel des Pferdes eingewirkt, was sehr zielgerichtete, feine, aber auch direkte Reflexe auslöst, die bei der gebisslosen Reiterei nicht gegeben sind und somit eher als Zufallstreffer, als gezielte Hilfengebung anzusehen sind.“

Alessa Neuner:

“All die Punkte, die in meinen Augen eine korrekte Anlehnung definieren, haben nichts mit der Verwendung eines Gebisses zu tun. Generell steht für mich die Ausrüstung nicht an erster Stelle. Jegliche Ausrüstung wie Trense, Gerte, Sporen oder eben auch gebisslose Zäumungen, sollten stets dazu dienen, uns in der Kommunikation mit dem Pferd zu unterstützen. Sie dienen, wenn man so will, also als Transmitter von Nachrichten, die wir dem Pferd zukommen lassen wollen, oder auch von Informationen, die uns das Pferd mitteilt. Insofern ist es natürlich wichtig, eine Ausrüstung zu wählen, die für beide Beteiligte eine gute Kommunikation ermöglicht.

Viele sind leider immer noch der Meinung, dass hierfür zwingend ein Gebiss nötig ist. Wenn man jedoch erkannt hat, wie unglaublich sensibel und feinfühlig Pferde reagieren und kommunizieren können, dann wird man auch bald erkennen, wie wenig „Hilfsmittel“ man tatsächlich für eine gelungene Kommunikation braucht. Da in meinen Augen Anlehnung, wie ja bereits erwähnt, auch nichts anderes als eine Form der Kommunikation ist, sehe ich einfach keinen Grund, welcher mir die Verwendung eines Gebisses aufzwingt.

Möchte man im Sinne der FN eine korrekte Anlehnung erzielen, so ist dies gebisslos nicht möglich – einfach, weil es gebisslos logischerweise niemals eine Anlehnung ans Pferdemaul geben wird.

Möchte man aber eine korrekte Anlehnung im Sinne einer erfolgreichen Kommunikation erreichen, so ist das gebisslos mindestens genauso gut möglich. Welch eine Freude sowohl Pferd als auch Reiter dabei haben können, das erlebe ich jeden Tag mit meinen vierbeinigen Freunden.”

Fazit

Die korrekte Anlehnung ist das A und O, um Dein Pferd fein und vor allem gesund zu reiten. Dabei kann die Anlehnung wie eine Verbindung, eine Art der Kommunikation zwischen Dir und Deinem Pferd gesehen werden. Zudem muss Dein Pferd für eine korrekte Anlehnung im Takt und losgelassen gelaufen, sowie seine Hinterhand aktiv nutzen. Letztendlich ist die korrekte Anlehnung eine Frage der richtigen Körperhaltung Deines Pferdes, die auch ohne Gebiss erreicht werden kann.

Lesetipp: Jayanthi vom Blog Fühlend Reiten hat in diesem Beitrag ebenfalls ein paar interessante Gedanken zur Anlehnung zusammengeschrieben!

Wie definierst Du die Anlehnung und welche Tipps hast Du, um eine feine und konstante Anlehnung zu erreichen?

An dieser Stelle nochmals ein großes Dankeschön an Daniela Schinko, an Andreas Werft und an Alessa Neuner!

Bild: www.depositphotos.com – nigelb10

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Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen tollen Artikel!
    Die Anlehnung ist meiner Meinung nach eines der am meisten missverstandenen Themen der Reiterei – schön, dass hier gleich mehrere Experten zu Wort kommen und ihre Sichtweisen darstellen.

    Ich finde, wenn man mit der „richtigen“, feinen Anlehnung reitet hat man nicht mehr Gewicht in der Hand, als wenn man Federn tragen würde. Es ist, als würde man seinen Finger sanft ans Pferd legen und seinen Bewegungen nachspüren. Man hört zu und befiehlt nicht nur. Alles was grober abläuft ist für mich keine gleichberechtigte Kommunikation mehr.

    Reiten mit feiner Anlehnung ist einfach nur wunderschön und ich wünsche mir, dass immer mehr Reiter umdenken und sie erleben.

    Liebe Grüße,
    Christina

    • Hallo Liebes,

      ja – die Anlehnung wird in der Tat oftmals missverstanden, und gerade Anfängern fällt es schwer, sie richtig zu begreifen. Denn wie Du es schreibst, muss man es fühlen, und wenn man es einmal geschafft hat, in feiner Anlehnung zu reiten, hat man es auch verstanden! 🙂

      Alles Liebe und danke Dir für Deine Worte,

      Line / Kultreiter

  2. Hallo 🙂

    Ich habe mich sehr über diesen Artikel gefreut, weil mir die Anlehnung sehr wichtig ist, aber irgendwie nicht so richtig weiß, wie ich das Schulpferd, das ich reite, in eben diese Anlehnung bringe. Denn dieses Pferd zieht den Kopf immer so zur Seite, und ich schaffe es einfach nicht, dass sie von selber die Anlehnung sucht. (Sie kommt leider aus schlechter Haltung… 🙁 ) Habt ihr dazu vielleicht noch einen Tipp? Das wäre so wundervoll, weil ich sie nicht zwingen will, in die Anlehnung zu gehen.
    Ansonsten gefällt mir dieser Beitrag sehr und ich fand ihn sehr hilfreich
    Ganz liebe Grüße
    Lisa

    • Hallo liebe Lisa,

      schön, dass Du Dich über diesen Beitrag gefreut hast!

      In die Anlehnung zwingen, kannst und solltest Du kein Pferd. Wie es auch im Beitrag steht, helfen oftmals Biegungen oder Seitwärtsgänge. Was konkret bei Deinem Schulpferd helfen kann, kann ich Dir natürlich nicht sagen, ohne Euch zusammen gesehen zu haben 😉

      Alles Liebe!

      Line / Kultreiter

  3. Hey, ich habe den Eintrag wirklich sehr lehrreich und vorallem hilfreich gefunden, da manche über so wichtige Themen überhaubt nicht nach denken. Vielen dank für diesen schönen Post. 🙂 und weiterhin viel Glück 🙂

  4. Hallo! Dein Beitrag über die Anlehnung hat mir sehr gut gefallen. Aber was genau sind dennn „Equicurls“? Das würde mich sehr interessieren,da mein 20 jähriger Hannoveranerwallach meist eine sehr lange Zeit zum Lösen braucht. Vielen Dank im voraus!

    Mit freundlichen Grüßen

    Doris

    • Hallo liebe Doris,
      das freut mich – danke! Ich habe die Frage gleich an Andreas, Entwickler der Equicurls weitergegeben. Er müsste sich hier bald melden! 🙂
      Alles Liebe,
      Line / Kultreiter

      • Danke Line, ich werde es dann mal versuchen????

        Hallo Doris,
        danke erstmal für dein Lob bzgl. des Artikels und deine Nachfrage.

        Gerne möchte ich versuchen dir unser „Equicurl“ bzw. „Equibase“ von meinen Reitschülern auch liebevoll “ AK“ (Andys Kringel) genannt kurz zu erklären.

        Es handelt sich im Grunde um eine sehr effektive Gestaltung der Lösungsphase die vollständig ohne Zwang übers Gebiss, Gerte und Sporen geritten wird und sehr früh alle Muskeln des Pferdes anspricht ohne diese zu überfordern sondern entsprechend den Anforderungen zur Mitarbeit zu motivieren.

        Die Lösungsphase berücksichtigt die Anatomie des Pferdes und nutzt die von Natur aus gegebene bewegungsfreude des Pferdes.

        Aufgrund der Tatsache das wir uns zb. sehr intensiv mit der Funktion und der Bedeutung des Gebisses im Pferdemaul und den daraus resultierenden Signalen an das Pferdegehirn befasst haben können wir unser Pferd schon aufgrund unserer neu erarbeiteten Lösungsphase mit Hilfe von „Equicurl“ dynamisch vorwärts/ abwärts über den mitschwingenden Rücken reiten und das bereits nach kurzer Aufwärmphase mit sehr aktiver Hinterhand.

        Aufgrund der Tatsache dass, das Pferd schon nach kurzer Zeit nicht nur korrekt unter, sondern auch übertritt bekommen wir sehr viel „Gummi“ sprich durchgängige Beweglichkeit ins Pferd und lösen es durch „feines Reiten“ über den langen Zügel, den korrekten Sitz und feine Gewichtsverlagerungen.

        Da jedoch jedes Pferd anders gebaut und auch in der Motorik anders funktioniert ist auf ganz bestimmte Hilfestellung von unten zu achten.

        Daher ist immer ein Anschauen des Reiter / Pferd Paares von uns erforderlich um diese wirklich effektive Trainingsmethode anzuwenden.

        Das Ergebnis ist ein Arbeitswilliges und unglaublich bewegliches Pferd und dabei ist es egal ob es jung, alt, ein Spring- oder Dressurpferd ist.

        Nervöse und „klemmige“ Pferde verwandeln sich schnell in an der Arbeit interessierte Freizeitpartner.

        Die genaue Vorgehensweise muss man demonstrieren um die Zusammenhänge von Gebiss, Zügel, Sitz und Bein zu erkennen.

        Gerne stehe ich aber telefonisch für weitere, ausführliche Informationen zur Verfügung.

        Kontaktdaten sind auf unserer Homepage http://www.reitcoach.eu zufinden.

        Mit freundlichen Grüßen
        Andreas Werft

  5. Ich finde es ist ein wirklich toller Beitrag geworden. Der Beitrag spiegelt genau das wieder was Andreas mir seit ca. 8 Monaten vermittelt. Da mein Pony und ich noch ganz am Anfang als Team standen bin ich froh jemanden gefunden zu haben der ohne Druck und Zwang und mit ganz feiner Hand unterrichtet. Mir war es von Anfang an wichtig das mein junger Wallach Spaß an der Arbeit hat und ohne Druck ausgebildet wird. Es ist einfach so schön zu sehen wie er und natürlich auch wir uns entwickeln. Dafür bin ich Andreas sehr dankbar 🙂

    Liebe Grüße
    Malin

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